05.08.2004 Wacken (NorddFür die einen ist es Festival – für die anderen „der wahrscheinlich längste Soundcheck der Welt“
Und los geht’s! „Onkelz live 2004, die Erste“ und damit wollen wir auch gleich mal das gute alte Tourtagebuch entmotten, das euch auch dieses Jahr wie gewohnt kompetent (?), non-chalant in Stil und Recherche (!), desweiteren zeitnah (?!) über alles informiert, wo mindestens 4 Onkelz gleichzeitig vor Publikum zusammen musizieren. Und ja, so wies aussieht ist das System noch nicht zu altersschwach, die Matrix scheint auch noch da zu sein!
Okay, dann wollen wir mal quasi analog zur Bundesliga-Saison die neue Konzert-Spielzeit der Onkelz posthum einläuten und den ersten Spieltag in einigen wenigen Worten Revue passieren lassen.
Ich eröffne direkt mit einem fiesen stilistischen Konventionsbruch, der so innovativ ist, dass man ihn getrost als „new-school-Texteröffnung“ in die Schulbücher einziehen lassen könnte – direkt in einem Aufwasch mit der gerade opportunen Rechtschreipunk. Jetzt anschnallen: Das Resümé!
Entgegen zahlreicher empört dargebotener Einsprüche mental-derangierter Bedenkenträger der mighty Metal-Geschmackspolizei, scheinen die Onkelz und Wacken doch zusammen zu passen. Zwar lies sich die Stimmung zu Beginn des Sets ausserhalb der Onkelz-Hausmacht etwas dezent schleppend an, aber je weiter der Abend voran schritt, desto mehr Themenfremde mussten sich eingestehen, dass die Onkelz bei Lichte betrachtet eine normale Rockband sind - und auf den zweiten Blick eben die geilste Deutschlands. Von wegen Faschos und Randalierer und so... Wie gesagt, je später der Abend, desto besser die Stimmung. Und es wurde ja sehr spät...
Aber um jetzt doch wieder zu konservativer Erzählstringenz zurück zu kehren, das ganze in korrekter zeitlicher Abfolge. Wie sicherlich die meisten von euch wissen dürften, war es kein Zufall, dass die Onkelz für das diesjährige Wacken gebucht wurden. Europas größtes Metal-Festival erlebte dieses Jahr seine 15. Auflage und da die Onkelz die Veranstaltung anno ´96 mit ihrem Auftritt in eine neue Dimension gehievt hatten, war klar, dass sie dieses Jahr zum Geburtstag wieder auflaufen mussten. So kam das also, denn so rein image-technisch ist das Verhältnis Onkelz zu Wacken ja doch tatsächlich zumindest grenzwertig. So ganz ohne Nietenarmbänder und Spandexschlüpfer ist es ja eigentlich schwer, bei diesem Event zu landen.
Mittwochabend startete die „Metal-Mission“ also für die Onkelz in die zweite Runde. Mit an Board im Bus gen Hamburg waren ab Frankfurt Kevin und Stephan, dazu Manager Matthias, Rafi und Micha, die bereits auf der Club-Tour für angemessene Dokumentation verantwortlich zeichneten, Ed und als produktions-irrelevante Gäste Marc Spoon, Daniel von Sub7even und ich. Gonzo und Pe waren schon direkt Richtung Norden geflogen und der Rest der bewährten Onkelz-Crew folgte im separaten Nightliner direkt aufs Gelände.
Während sich die eine Hälfte der Besatzung bei Playstation und Kalkofes Mattscheibe bei Laune hielt (übrigens kleiner Tipp von hier an euch: Bitte bei den Gigs in den Großstädten nicht winken/klatschen – in Kreuth und Wiener Neustadt okay, aber sonst ist das nicht schön...), war Kevin schon zeitig bedient, denn sein HSV hatten im UI-Cup gegen Villabacho wohl erneut mehr Nieten auf dem Platz als der durchschnittliche Metal-Grottenolm am Körper und verabschiedete sich standesgemäß von der internationalen Bühne. Nach 7 Stunden Reise und Belustigung endlich Ankunft in Hamburg, direkt an der Elbe. Schönes, traditionsreiches Haus, allerdings völligst Un-Rock´n´Roll mit Teak-Holz und Bibliothek und so weiter! Aber das nimmt man ja in Kauf. Dass die Klimaanlage hier und da nicht ihren Dienst tat, war dagegen schon ein schwerer wiegendes Problem...
Anderntags um 10 die zweite Etappe, diesmal der direkte Vorstoß ins Herz der Metal-Welt: Wacken, die Hauptstadt der Bewegung und alljährlich Prozessionshöhepunkt nahezu sämtlicher lichtscheuer Gestalten zwischen Norwegen und den Karpaten. Vormittags war am ersten Festivaltag die Welt verkehrstechnisch noch absolut in Ordnung, denn die ersten Dauergäste waren schon vor Ort und das Tagesvolk kam wohl erst später angereist. Durch eine etwas obskure Beschilderung drehten wir noch eine Extrarunde im Ort und bekamen einen ausgezeichneten Eindruck vermittelt, was „Wacken“ eigentlich bedeutet: Ein ganzer Ort stellt sich drei Tage in den Dienst des Festivals, alles belagert von friedlichen Menschen, die in brütender Hitze von 35° C zu true dafür sind, ihre schwarze Lederkutte abzulegen, aber die das auch nicht weiter stört, alles eingehüllt in Shirts ihrer Lieblingsbands und mit Six-Pack unterm Arm. Wie nicht anders zu erwarten rund 1/3 in den bewährten Onkelz-Devotionalien. Sehr schön, Leute. So fühlt man sich echt fast überall daheim! Besonderes Glück hatte übrigens ein Fan, der mit seinem Kollegen in einem roten (?) Kleinbus mit aufgepinseltem „Böhse Onkelz“ angereist war. Als er erkannte, wer in dem großen weissen Doppeldecker saß, der an seinem Plätzchen vorbei rollte, entglitten ihm komplett die Gesichtszüge vor Überraschung. Nur sein Kumpel schien ihm irgendwie nicht so recht geglaubt zu haben, was er da so entdeckt hatte. Sah sehr gut aus...
Beim Soundcheck schon mal die erste Begegnung mit Bühne und Gelände. Nicht unbeeindruckend, muss man sagen. Zwei Bühnen, dazu ein Hektar Acker davor. Das nenne ich mal schön viel Platz. Schwer vorstellbar, dass das am Abend beinahe komplett mit Menschen geflutet sein könnte. Zwar war die Bühne nicht so wahnsinnig groß wie bei den Stones gestern vor einem Jahr, aber doch verdammt hoch. Genickstarre bei den Reihe1-Mädels vorprogrammiert (schöne Grüße und danke fürs Winken bei Motörhead von hier aus

). Als nach einigem scheinbar unkoordiniertem Geklimper und Geschredder klar wurde, wer da die Saiten on stage ölte, versammelten sich denn auch direkt die erste Tausendschaft am Einlass und erlauschte und feierte gleichermaßen jeden Takt. Probehalber bekamen sie als kleines Bonbon auch gleich mal mit „Schutzgeist der Scheisse“, „Dunkler Ort“ und „Immer auf der Suche“ drei Stücke vorab live präsentiert. Und alles war schon im Preis enthalten... Glück gehabt.
Nach einem knappen Stündchen war der Drop gelutscht und die Band gondelte zurück gen Hotel, um sich für den Abend zu regenerieren und ein bisschen was zu essen, Ed, Daniel und ich blieben auf dem Gelände. Der eine, um „geschäftliche Dinge“ zu koordinieren, die anderen beiden, um in der Sonne zu sitzen und „die Seele baumeln“ zu lassen. Sehr groteske Beobachtungen lassen sich während so einer Leerlaufzeit übrigens machen. Einerseits war es immer noch warm, andererseits aber schien sich die Meute damit angefreundet zu haben, lieber den Hitzetod zu sterben, als ihre Metal-Maskerade aufzugeben. Okay, muss jeder selbst wissen. Die absolut coolste Sau war definitiv ein Nachwuchsmusikant im Kettenhemd aus der Tschechei mit aufblasbarem Morgenstern. Sehr geil... Und er war wirklich noch einer der weniger bizarren Gestalten, die sich da tummelten (beängstigender waren aber zwei Jungs – geschätzte 5 und 8 – mit Kutte und aufblasbarer Luftgitarre, die mächtig am abposen waren. Wo soll das nur enden?). Bevor jetzt aber ein falscher Eindruck entsteht: Alles definitiv sehr cool, in den restlichen 361 Nicht-Wacken-Tagen sind das bestimmt alles Bänker und Staatsdiener in muffigen Amtsstuben... Sehr relaxte Veranstaltung, das Ganze!
Von den zwei anderen Gruppen am Donnerstag (von Vorbands zu sprechen verbietet sich ja bei einem Festival) - muss ich gestehen – habe ich wenig mitbekommen. Es war auch einfach zu heiss, um sich zu weit vom Getränkestand zu entfernen. Unverantwortlich sich selbst gegenüber... Muss aber wohl ganz ordentlich gewesen sein, was man so hört. Lemmy jedenfalls sieht irgendwie seit 40 Jahren gleich aus und gab auch im Artist-Bereich den Rockstar-Prototyp. Mikkey Dee, des Warzenmännchens Wundertrommler, kam vor dem Gig der Onkelz, um ein kurzes Shakehands und Palaver abzuhalten. Ein sehr netter Mensch, der sich hinterher wohl auch fast das gesamte Set angeschaut hat.
Stephan und Gonzo kamen dann schon gegen 6 wieder aufs Gelände, um ausgesuchten Fans und Journalisten kurze Interviews zu geben. Besonders geil dabei: Zwei Jungs waren extra für den Auftritt der Onkelz aus China (!) angereist, da kann man definitiv mal eine kleine Ausnahme machen. Die beiden anderen stießen dann mit dem Bus später dazu und um 8 war die Band komplett vertreten und das gemeinsame Warten begann...
Für Punkt 11 nach 9 (!!!!) war Sonnenuntergang angesagt und exakt 4 Minuten später ertönten die ersten Intro-Klänge. Ein flottes Liedchen und dann der Auftakt des Riesensets: „Hier sind die Onkelz“. Leider spielte schon hier wie noch einige andere Male an diesem Abend die Technik nicht hundertprozentig mit, aber was solls. Aus spielerisch und technischer Sicht war der vergangene Donnerstag sicherlich einer der schwächeren Tage der Band, aber irgendwie erzeugte die eine oder andere Panne (amnesische Lücke bei „Heilige Lieder“, rhythmische bei „Nichts ist für die Ewigkeit“) eine große Authentizität, die den „schlechten Eindruck“ (so denn überhaupt einer aufgekommen war) wett machte. Das war irgendwie eine homogene Sache, alles nicht so steril, sondern sehr organisch und deshalb absolut gelungen. Jaja, nennt mich Schönredner, ich habs nun mal so gesehen. Nicht dass ein falscher Eindruck entsteht: Bei 32 Songs kann was schief gehen, wenn man den überwältigenden Teil hochpräzise runterzockt und dabei noch Fleisspunkte sammelt wie Gonzo, der ständig in Bewegung war und – als wären die Open-Airs vom letzten Jahr nie vorbei gegangen – wieder den Einpeitscher vor dem Herrn gab. Das ist Rock´n´Roll, meine Damen und Herren. Mit bewährten, immerjungen Evergreens wie „Finde die Wahrheit“, „Nichts ist für die Ewigkeit“ und „So sind wir“ und einer guten Hand voll Überraschungen („Heilige Lieder“, „Wie tief willst du noch sinken“, „Buch der Erinnerungen“, „Nie wieder“, „Stunde des Siegers“, „Lieber stehend sterben“ und der obergelungen Gänsehaut-Premiere „Für immer“), dazu die üblichen „Verdächtigen“ war die Setlist absolut ausgewogen, für jeden was dabei. Eine gesunde Mischung, da könnt ihr mir erzählen, was ihr wollt. Um den besonderen Festival-Umständen Rechnung zu tragen, gabs diesmal nur drei Stücke von „Adios“, das wird sich natürlich auf Tour ändern. Kevin war übrigens in einer sehr guten Form. Zwar baute seine Stimme gegen Ende des Sets ab, aber bei einer solchen Länge ist das wohl kein Wunder.
Wie in meiner innovativen Upside-Down-Einleitung ja schon dargelegt griff der Onkelz-Virus mal wieder rasant um sich, sodass spätestens bei 2/3 des Sets die gesamte „Crowd“ onklifiziert war, wie es ja neudeutsch so schön heisst... So in Extase geraten kippte mir ein Jünger nen halben Liter Bier über die Hose und ein anderer feuerte mir nen halbvollen Plastikbecher an die Birne. Das nenne ich also mal underground-Recherche ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Ich glaube echt, ich bin zu alt für so was. Hochachtung an alle, die sich so was immer geben. Ich könnts nicht. So in der Masse stehend macht man allerdings auch wieder einen Haufen geiler Beobachtungen. Neben mir sangen zwei langhaarige Onkelz(!)-Fans ständig in den Pausen „SCHEISS NEUES ALBUM, WIR SINGEN SCHEISS NEUES ALBUM!“, grölten aber bei „Onkelz vs. Jesus“ am lautesten „SHOCK NON-STOP“. Von wegen „der Keulenmann war der bizarrste“...
Desweiteren: Entweder stand ich schlicht in einer unrepräsentativen Ecke, oder aber es gab tatsächlich kaum militante Unmutsäusserungen gegenüber den Onkelz, oder? Okay, ein paar Pfiffe am Anfang, aber das wars auch schon. Eigentlich wirklich coole Leute, diese Metal-Heimer. Nur euinen habe ich schwer aus der Reihe tanzen sehen. Wer von der Bühne aus gesehen rechts gestanden hat, muss unweigerlich die Outdoor-„Urinale“ gesehen haben, die quer zur Bühne angebracht war. Wenn man sich ganz aussen hinstellte konnte man gerade noch beim Schiffen auf die Bühne schauen. Da stand doch tatsächlich einer, der akrobatisch die rechte Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger gen Onkelz reckte und mit der anderen seinen **** justierte. Als er fertig war, ging er Hosenbeine ausschüttelnd zurück an seinen Platz. Lecker, lecker. Aber so passierts, wenn man sich zu kritisch zu den Onkelz äussert. Der Bannstrahl trifft jeden! Nächstes Mal macht der so was nicht mehr, der Disser-Pisser! Zwischen „Ich weiss nicht mehr“ und „Echt keine Ahnung, wie der Titel hiess“ kam zu allem Überfluss dann auch noch ein übergewichtiger Fan auf die Bühne gestürmt, herzte Kevin und brüllte irgendwas ins Mikro (Hat das irgendwer verstanden?). Alles ganz nett, aber dann irgendwie doch bedenklich. Fragt mal Monica Seles, wie so was ausgehen kann...
Mit „Lieber stehend sterben“ war dann nach über 2 Stunden der reguläre Teil beendet und nach einer Mini-Pause kamen noch mal „Die Firma“, „Auf gute Freunde“, „Kirche“, „Mexico“ und „Erinnerungen“. Spätestens bei letzterem hatten 35000 Mann – ob Metaller oder Onkelz-Fan oder beides – die Arme in der Luft. Ein großes Bild! Sehr sehr geil! Da sage doch mal einer, die Onkelz hätten kein verbindendes Moment. Möge sich jeder Nörgler und Warner dieses Bild bitte mit einem dicken Ausrufezeichen auf jede einzelne Synapse kleistern!
Nach dem obligatorischen Abklatschen der ersten Reihe war dann aber nach sage und schreibe 2 3/4 Stunden endgültig Feierabend – irgendwann muss ja mal Schluss sein. Die Massen zogen auf die Zeltplätze, die Onkelz nach nettem Beisammensein mit Crew und Freunden im Bandbereich nach Hamburg ins Hotel. Gonzo flog bereits morgens nach Hause, Kevin und Pe folgten am Nachmittag und nur Stephan fuhr mit dem Bus weiter nach Frankfurt zurück.
Dank Stau bei Kassel und BurgerKing-Pause gabs diesmal volle 9 Stunden Fahrt, aber dank gemütlichster Schlafkofen an Board geht auch so was zügig.
Kurz vor Frankfurt entfachte sich dann übrigens eine kleine Setlist-Diskussion, denn eins ist klar: Für die Tour muss die Liste um einige Stücke abgespeckt werden. Welche das sein werden? Schwere Entscheidung! Mal sehen, vielleicht werdet ihr ja ein bisschen mit einbezogen...
So, genug der warmen Worte. Die Onkelz werden jetzt bis Tourstart noch ein bisschen ausspannen und üben, denn bis zum 28.8. sollen die Songs schon sitzen, so sympathisch die kleinen Aussetzer auch waren.
Ihr lest wieder von uns kurz vor Tourstart, live aus Kreuth!
Gute Nacht allerseits und danke für eure Aufmerksamkeit, man möge mir die eine oder andere hölzerne Formulierung verzeihen. Es ist schon spät, Mainz hat heute verloren und so weiter. Ihr wisst ja selber, wie das ist....
Till
eutschland), Kuhwiese

