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26.09.2004 Frankfurt IFrankfurt, du Weltstadt der Herzen, du Moloch unter den Perlen des Rhein-Main-Gebiets. Heimat der Eintracht, Quelle des Äppelwoi, dein Sündenbabel Kaiserstraße und dein Bankenviertel. Dein Josef Ackermann, dein treuer Charly und deine Frau Rauscher. Heute hast du zum letzten Mal deine Onkelz in der Stadt! Und? Freust du dich? Bist du etwa auch wehmütig? Heute könnte ein denkwürdiger Tag in der Geschichte Frankfurts werden. Die Eintracht putzt Oberhausen 6:2 und die Onkelz treten zum letzten Halali an. Aber die Kicker sind nur zweite Liga, die Onkelz – das wird heute wieder klarer denn je – Champions League. Als ich um kurz vor 4 am Hauptbahnhof in Frankfurt ankomme, gleicht er einem Onkelz-Ameisenhügel voller wuseliger Onkelz-Ameisen. Man trägt schwarz, trinkt Bier und singt die einschlägigen Hits. „Den Sombrero auf und Doc Martens an“ hier „Endlich wieder neue Noten, neue Schweinerein“ dort und irgendwo zwischendrin „Nichts ist für die Ewigkeit, nichts bleibt wie es war“. „Wo man singt, da lass dich nieder. Böhse Menschen haben keine Lieder!“ So sieht das mal aus, denn wer trinkt singt und so zieht eine Karawane nach der nächsten in einer Schneise der Verwüstung vom Bahnhof aus, um die Festhalle mit Chaos und Extase in ihren Grundfesten zu erschüttern. Wieder mehr als 10.000 Onkelzwahnsinnige in der „Gudd Stubb“, das kann ja heiter werden. Auf jeden Fall gibt?s mal wieder ordentliche Ränge (sogar gleich zwei), das ist nach den beiden flachen Messehallen in Münster und Bremen auf jeden Fall schonmal ein Fortschritt. Gut, zur Bedeutung des heutigen Konzerts muss man denke ich keine großen Worte mehr verlieren, das sollte jedem klar sein. Und weil Frankfurt was besonderes ist, wird wie gestern das volle Programm aufgefahren. Fast schon ein kleines Festival. Denn mit den Kollegen von „Junkhead“ stößt heute wieder eine weitere Band zum Line-up und komplettiert den Tross. Die Jungs um Ex-Gonzo Backliner Boris sind alte Freunde der Onkelz und wer letztes Jahr auf der Klubtour dabei war, dürfte die Jungs ja schon kennen. Auf jeden Fall eröffnen die 5 heute den bunten Reigen und nutzen ihre halbe Stunde, um euch schonmal langsam auf Betriebstemperatur zu kommen. Sänger Justin, Basser Marc, Stefan und Boris (Gitarren) und Drummer Jojo geben direkt Gas wie Hölle und hatten euch schonmal ganz ordentlich bei den Eiern. Wie in den kleinen Clubs lassen die Junkheads auch in der riesigen Festhalle kaum was anbrennen und rocken entspannt ihr Set runter. Das funktioniert also auch in groß.
Danach zocken wie gewohnt die Wonderfools, die jetzt meistens von Gonzo angesagt und würdig vorgestellt werden. Das ist eine schöne Geste und macht den Jungs das Leben natürlich sehr viel leichter. Mittlerweile fliegen auch keine Gegenstände mehr auf die Bühne – was da passieren kann, davon kann Kevin ein Lied singen. Das war gestern alles andere als lustig! In jedem Fall ein runder Gig unter vielen runden Gigs der Norweger auf dieser bisherigen Tour. Mittlerweile haben sie ja auch schon genug Routine in den großen Hallen – hoffentlich gewöhnen sie sich auch wieder an die kleinen Clubs. Aber da bin ich zuversichtlich!
In der zweiten Umbaupause des Abends mal wieder „Zeigt her eure Titten“, das wird wohl nie langweilig. Aber wenn es dazu dient, die Umbaupause zu verkürzen soll es ja recht sein. Die Festhalle ist das ganze Wochenende über in ein würdiges Ornat gehüllt, zahlreiche Banner und Flaggen schmücken den ersten Rang – Stadionatmosphäre. Die beiden Gäste-Blöcke vor der Rotunde auf dem ersten Rang sind picke-packe voll, jeder will die Onkelz noch mal gesehen haben.
Nachmittags besuchten Gonzo und Pe noch mal ein paar alte Wirkungsstätten aus 24 Jahren Onkelz. Eiserner Steg und natürlich das Juz Bockenheim, das nur einen Katzensprung von der Festhalle weg ist. Hier fing alles an, dort endet der Weg. Vor 40 betrunkenen Punks im Juz Bockenheim einstmals, heute in der Festhalle vor über 10.000 Mann. Das ist einzigartig, das macht so schnell niemand nach.
Unmittelbar vor ihrem letzten Heimspiel höre ich die Onkelz noch ein bisschen in ihrer Garderobe rumblödeln, Kevin und Stephan schreien sich warm und das klingt irgendwie wie das Pfeifen im Walde. Gestern war ja – wie Eddy beschrieben hatte – Weltkindertag in der Festhalle und die Kids haben neben unserem kleinen Büro gelärmt, aber das heute war beinahe genauso „schlimm“. Ein bisschen Infantilität haben sich die Onkelz dann doch noch bewahrt... Aber gleich geht es los, das letzte Mal Festhalle! Stephan tituliert noch jemanden als Heulsuse, das obligatorische Abklatschen und dann gehts ab. Die „Gudd Stubb“ brodelt, es ist angerichtet. Gleich in seiner zweiten Ansage erteilt Stephan sämtlichen Sentimentalitäten eine Absage und fordert, alle Gedanken an das Ende bis zum Schluss aufzusparen und vorher eine ordentliche Party zu feiern. Es ist wie es ist, heute holt jeder das Letzte aus sich heraus und Onkelz und Publikum spielen volle 2 1/2 Stunden Stimmungs-Ping Pong. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre und der ersten Doppelshow auf dieser Tour in Berlin, fällt der zweite Tag stimmungsmäßig immer ein wenig ab. Doch heute ist laut Stephan das erste Mal, dass „der zweite Tag in Frankfurt den ersten noch toppt“. Das kann ich aus meiner Sicht zwar nicht so hundertprozentig unterschreiben, denn meiner Meinung nach gaben sich beide Gigs nicht viel, aber es hat den Onkelz auf jeden Fall eine ganze Menge Bock gemacht, heute nochmal für euch aufzuspielen und ihr habt es ihnen in gleicher Münze zurück gezahlt. „Oh, wie ist das schön“ und „Onkelz, Onkelz“ in jeder Songpause, das ist fett. Weniger fett dagegen ein Kollege, der die ganze Zeit „Verräter“ und „Kommerzielle Schweine“ brüllt. Dann bleib nächstes Mal daheim. Ach verdammt, gibt ja kein nächstes Mal. Und wie mir zugetragen wurde, haben die, die sich damit brüsteten, das neue Album zu boykottieren am lautesten bei „Superstar“ mitgebrüllt. Strange... Merkt ihr eigentlich noch irgendwas? Egal, über sowas möchte ich mich an dieser Stelle bei diesem Anlass jetzt nicht mehr aufregen. Denn schließlich löst sich alles wie meistens in Wohlgefallen auf. Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Produktionsbeteiligter haben die 4 heute das beste Konzert der bisherigen Tour und das beste aller Zeiten jemals in Frankfurt gespielt. Ihr seht, hier wurde niemand tranfunselig, hier wurde bis zum (allerdings sehr) bitteren Ende gerockt. Wie ihr euch vorstellen könnt, war die Pause zwischen „Mexico“ und „Ihr hättet es wissen müssen“ der emotionalste Moment der bisherigen Tour. Nochmal ein kurzes Abklatschen vor der Schlussansage, die diesmal so kurz ausgefallen ist wie noch nie auf dieser Tour. Stephan hatte es – wohl zum ersten Mal – die Sprache verschlagen und auch den anderen wird ein ganz ganz dicker Kloß im Hals gesteckt haben. Aus Rücksicht auf die 4 möchte ich das aber eigentlich auch nicht weiter breit treten. Jedem, der ein kleines Stück des Weges mit den Onkelz mitgegangen ist, dürfte nachfühlen können, was hier los war... Morgen ist jetzt also noch mal frei, danach geht es auf zum Endspurt! 5 Konzerte noch, dann fällt der letzte Vorhang für dieses Jahr. Ich will mir ehrlich gesagt nicht ausmalen, wie das erst in Hamburg werden soll...
Mach?s gut, Frankfurt – Frankfurt, mach?s gut,
Till
I, Festhalle
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