25.09.2004 Frankfurt IAua!! Das war ja schon wirklich nicht mehr feierlich. Es ist jetzt 13:42 am Sonntag und die Uhr tickt. In 3 Stunden ist Einlass, ich schreibe gegen die Zeit an und singe dabei... „und immer wieder schwör´ ich mir, das war letzte mal...“. Verdammt, ich habe Dinge gesehen... wie sage ich´s bloss? Also es fing eigentlich ganz harmlos an, das mit den Onkelz in Frankfurt. Der übliche Stress mit Gästelisten und VIP Bändchen und Backstage Karten und Fotopässen. Die Presse wurde weiträumig ausgeladen, so dass mehr Karten für Freunde übrig blieben. Standard. Wer VIP ist oder zu sein glaubt, meldet sich spät, aber wer „Super-VIP“ ist, meldet sich kurz vor Showbeginn: „Ich stehe jetzt hier, wo soll ich hin?“ Arrrrrggggh! Wenn die Onkelz in ihrer Heimatstadt spielen, dazu noch in der „guten Stube“, der Festhalle, dann herrscht hier regelmäßig der Ausnahmezustand. Ich fahre gegen vier zum Hauptbahnhof, um einen amerikanischen Freund abzuholen, der am Morgen extra für die letzten 6 Shows aus Massachusetts rüber geflogen kam. Ein Ami, der noch nie in Deutschland war und die Onkelz nur von den CD´s kennt, sich die Gelegenheit aber nicht entgehen lassen wollte. Ich habe mich mit ihm vor dem MC Donalds im Hauptbahnhof verabredet. Super Idee. Ungefähr 150 Onkelzfans lungern an eben genau diesem Treffpunkt rum und machen unter Polizeibeobachtung lautstark klar, welches mittelamerikanische Land auf ihren Reiselisten ganz oben steht. Mein Kollege ist zunächst nicht aufzufinden, dann erspähe ich ihn allerdings inmitten einer kleinen Gruppe Sombrero tragender Gestalten, wie er eine 1Liter Jägermeisterflasche annimmt, zum Hals führt und weiterreicht. Ah, alles klar, den Mann kann man schicken, der ist integrationswillig. Eingeladen in den Audi und ab zur Halle. Dort herrscht der gewohnte Andrang. Man nennt mir Zahlen von verkauften T-Shirts während der ersten zwei Stunden nach Standöffnung und ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Sagte Till es nicht neulich schon, das ist gar keine Band, das ist eine Sekte. Ich fange an, mir Gedanken über das Fanverhalten zu machen. Nach 43maligem Hin- und Herlaufen zwischen Backstagebüro, Catering, Halle und B.O.S.C. Bus bin ich endlich mit meinen Gästelisten und Einladungen durch und kann mir pünktlich um Siebbe den Support-Support „Junkhead“ anschauen. Justin, charismatischer Frontmann mit komplett bebildertem Oberkörper ist ja bekannt für seine Ausflüge in den Security Graben. Ein dankbares und gut aussehendes Fotomotiv. Die Jungs von Junkhead sind logischerweise ein wenig nervös vor dem Gig. Die Band spielt normalerweise kleine Clubs und hat selbstredend noch nie vor so vielen Leuten in der Festhalle performt. Guter Gig, keine Frage und mit viel Dampf dahinter. Witzig zu sehen, wie aus Stefan Stichler, dem Gitarristen, der damals als Teenie noch bei Stephan und mir in der Cadillac Ranch gejobbt hat und der einer der talentiertesten Skateboarder in Frankfurt gewesen ist, nun doch noch ein richtig ernst zu nehmender Musiker geworden ist. Ich wünsche den fünf Junkheads alles gute für die weitere musikalische Zukunft und hoffe, dass sie heute noch einmal genauso Gas geben. Die Wonderfools sind dagegen schon alte Hasen im Onkelzsupport vor vielen Leuten. Jetzt nach der 17ten Show macht sich bei den Norwegern allmählich Routine breit. Gonzo hatte es sich ja angewöhnt die Fools anzukündigen und tut dies auch heute. Hinter der Bühne ist die Hölle los. Kamerateams, die zusätzlich geordert wurden schrauben an ihrem Equipment und machen sich für die Onkelzshow bereit, dazwischen lärmende Kinder auf Rollern, Bandfrauen und genervte Kindermädchen. Die Uhr tickt, die Zeit läuft, der Countdown zählt langsam aber beständig der 21:00 Uhr Marke entgegen und zum Intro hin ist die Halle nicht mehr zu bremsen. Mein amerikanischer Freund macht ein Gesicht, als wenn er eine Marienerscheinung hat und stammelt nur noch „no fucking way, these guys rock...“ Ja, Alter, das haben neben Dir auch noch ein paar hunderttausend andere in diesem Land verstanden. Die Onkelz rocken. Nee, die Onkelz rocken nicht nur, sondern die Onkelz rocken, dass Dir der Kitt aus der Brille fällt und Du Dich nass machst vor Aufregung. Die erste Reihe hat sich komplett abgemeldet und treibt irgendwo im Orbit, dahinter Moshpit, als wenn es gilt den Beton zu sprengen auf dem getanzt wird. Ich schieße Fotos, was die Kamera hergibt und balanciere zwischen hart arbeitenden Secuities Kameramännern und Kabelträgern hindurch. Viele bekannte Gesichter und immer mal Nettigkeiten zwischendurch. Stephan fragt das Publikum wie immer nach der bevorzugten „Wieder mal ´nen Tag verschenkt“ Version und in Frankfurt entscheidet man sich für die rockige Variante. Bei „Nur die besten sterben jung“ höre ich ihn etwas sagen wie: „Dieses Lied ist für unseren Freund Trimmi und für Dich Irmgard. Bist Du da?“ Irmgard Trimmborn, Trimmis Mutter ist da und erzählt mir später, dass sie dort oben stand und diese Menschenmenge das Lied singen hörte und nur noch Rotz und Wasser geheult habe. Wer eigentlich auf die Idee kam, nach der Show in Frankfurt noch eine Party im Café Royal steigen zu lassen, bei der Stephan ein wenig Musik machen sollte, kann ich jetzt im Nachhinein gar nicht mehr sagen. Dumm vom Management allerdings, und da kann ich mir wahrscheinlich auch gleich an die eigene Nase fassen, dass es nicht ausreichend mit der Crew kommuniziert wurde, so dass die Crew ausgerechnet für den gleichen Abend ihr Bergfest und ihre Crewparty ansetzt. Auch hier kommen die meisten Leute aus Frankfurt und wollen natürlich nach der Show, nach der sie nicht abbauen müssen, steil gehen. Wie auch immer, 1500 Einladungen für den Royal-Gig wurden gedruckt und gegen Ende des Onkelzkonzertes gebe ich wahllos Tickets an alle möglichen Fans aus, die mir entgegen kommen. Bei 800 machen wir Schluss und wie es sich später herausstellt, scheinen diese 800 Fans auch alle den Weg ins Café Royal gefunden zu haben. Ich entscheide mich mit Till dazu, das Tourtagebuch Tourtagebuch sein zu lassen und breche, nebst Amifreund und Fipps in Richtung Innenstadt auf. Ha, so etwas Bizarres habe ich ja noch nie gesehen. Ich muss jetzt noch lachen. Drei wichtige Fakten gleich zu Anfang: Ich fahre nicht mit dem letzten Rest Besessner heute morgen um Sieben noch zum Stephan, der Audi hat keine Beule und steht heute Mittag noch immer unversehrt vor meinem Haus – und ich wache entgegen möglicherweise anderslautenden Behauptungen ohne Kopfschmerzen und alleine (!) in meinem Bett auf. Das geklärt, kann ich mich auf die Berichterstattung dieser merkwürdigen Feier konzentrieren. Das Café Royal heißt so, weil es früher das Kino Royal war, wo man in dicken plüschig roten Sesseln sitzend vor vielen, vielen Jahren den Weißen Hai gesehen hat. Heute ist es ein Club, mit wechselndem Programm. Der Betreiber Francesco, ein alter Freund, hat uns den Samstag überlassen, um hier mal ein neues Partykonzept auszuprobieren, dass ich jetzt lapidar „DJ W.“ nenne und als Schnapsidee bezeichnen möchte. „DJ W.“ bedeutet, dass Stephan Musik mit seinem Laptop macht und die Leute zum Tanzen bringt. Tanzen konnte aber keiner, weil sie ja alle dem W. zugucken mussten, wie er die Maus bewegt. Irgendwann zu fortgeschrittener Stunde stehe ich am Rand und treffe Markus Löffel (Marc Spoon). Wir gucken erst uns an, dann die Leute, die alle in Besorgnis erregender Nähe vor dem Stephan stehen und glotzen, dann wieder uns und plötzlich müssen wir tierisch lachen. „Was ist denn das? Alter, das ist ja schlimmer als im Zoo. Nein, das ist der Zoo.“ Dort ist also vor dem DJ Pult eine kleine Tanzfläche, die von gut 100 Die-Hard Fans okkupiert wird, die einfach so dastehen und dem Stephan auf die Finger gucken. „Oh, schau nur er klickt einen neuen Song an. So werde ich die Maus jetzt auch immer halten.“ Wäre ich Dichter, würde ich mir einen Vers über sphärischen Magnetismus ausdenken. Es ist zunächst schon ein wenig peinlich. Mir jedenfalls. Später bin ich besoffen, und finde es nur noch witzig. Der Rest des alten Kinos, wo auch schon die Onkelz Singers ihre Chöre für „Onkelz vs. Jesus“ eingesungen haben, ist brechend voll. Das Foyer platzt fast aus allen Nähten und es wird geschrieen, geschubst, gesoffen und gelacht. Ich vermisse ein wenig die Action bei dem ganzen Hero-Worshipping Seminar und beschließe sie in meinem Longdrink Glas zu finden. Dabei ist der Sound ja wirklich Klasse. Stephan hat gut und gerne 6000 Songs auf seinem Mac und wirft eine Perle nach der anderen vor die Säue. Altes von D.A.D. und Soul Asylum, ich höre Masters of Reality (die Ranch, die Ranch, dunkelroter Teppich, Suicidal fucking Tendencies) und ich höre grandiose Songs von Sprung Monkey und Life of Agony. Die ganze Angelegenheit mutiert zur Hessen-Sauna und 300 Fotos später, lichten sich die Reihen und die Spannung löst sich ein wenig. Die ersten Leute tanzen endlich und ich schaffe immer mal 5 Meter in die eine oder andere Richtung. Gegen vier platzt der Knoten dann endlich. Nicht etwa weil die Leute jetzt so besoffen sind, dass alles egal ist, sondern weil Stephan im Zuge einer Blitzidee die scheinbar bessere Musik spielt. Bei dieser Musik handelt es sich - die Cleveren unter Euch ahnen es schon - natürlich um die Onkelz. Was denn sonst? Onkelzfans wollen Onkelzkonzerte und Onkelz und überhaupt nur Onkelz und wenn der W. keinen Meter von ihnen entfernt steht und Musik macht, dann wollen sie natürlich immer noch Onkelz. Also knallt er ihnen Onkelz um die Ohren und plötzlich rockt der Laden, like there is no tomorrow. Überall gehen die Arme in die Luft und sogar Stephan singt mit seinen Zuschauern um die Wette. Sie zeigen mit den Fingern aufeinander und brüllen sich „Du kannst alles haben“ ins Gesicht. Witzig. Ich habe derweil großen Spaß auf der Tanzfläche mit Till, Fipps, P.N.O., Verena, Anja, Trisa und noch einer ganzen Reihe von Forums-Usern und Onkelzfans. Was für ein Spaß. Die Luftgitarren werden ausgepackt und alles taumelt und stürzt durcheinander und übereinander. Das Stephan am nächsten Tag noch eine Show spielen muss, scheint die Fans wenig zu interessieren. Das Management ist um Fassung und Contenance bemüht, die Bandbetreuung verliert Handys, die mit Taschenlampen und auf Knieen rutschend wiedergefunden werden, die Security steht tadellos wie eine 1 und irgendwann brüllt Stephan die Songs nur noch raus – Zeit zu gehen, Lass mich gehen, Adios. Aua – mir ist schwindelig. Ich stolpere gegen 6:45 aus dem Laden, mache dumme Fotos von davonfahrenden Taxis und eiere zu meinem Auto. Ob ich´s nochmal mitmachen würde? Anytime!! , Festhalle

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