18.09.2004 Berlin So, Ihr Kinder dieser Zeit. Berlin die zweite. Es ist immer ein wenig undankbar, über den zweiten Gig in der gleichen Stadt zu schreiben. Ich könnte es mir leicht machen und Euch sagen, dass es im Prinzip das gleiche Ding war wie gestern, aber ich habe heute etwas anderes vor. Ich würde gerne den heutigen Report in seiner Gesamtheit den Fans, also Euch widmen. Ebenso die Fotos. Wie Till bereits gestern erwähnte, werden die beiden Shows in Berlin von einer ganzen Armada von Kameras aufgezeichnet, zusätzlich sind drei Fotografen mit dabei (einer bin ich, ein Steady-Cam-Operator und draußen in den Katakomben steht ein fetter Ü-Wagen zu dem bündelweise dicke Kabel führen. Der BOSC hatte seine Fans angefragt, einige Banner und Flaggen zu bemalen, die dann in der Halle ausgelegt werden sollten, um das Bild im Film farblich aufzulockern (siehe Fotos). Man wollte Stadionatmosphäre schaffen und das ist auch gelungen, allerdings waren dafür nicht die Banner verantwortlich, sondern in erster Linie Ihr. Was in Berlin gestern und heute abging, war der pure Wahnsinn. Selten habe ich so viele Härtner und Krassmänner gesehen, die einfach jeden scheiß Song volles Programm abfeierten. Ich war mehrfach im Publikum und bin aus dem Staunen nicht mehr heraus gekommen. Mindestens 6 brodelnde Pogoherde, in denen gewaltige, tätowierte Männerkörper nur so durch die Gegend flogen, irgendwo gegen titschten und wieder weiter purzelten, wobei sie andere Körper mit sich rissen. Sensationell, was für ein Schauspiel, was für eine exquisite Darbietung menschlicher Gewaltverarbeitung. So etwas und vor allen Dingen in dieser Größe und Konstellation, das gibt es nur bei den Onkelz. Ich habe härteste Glatzen und krasseste Punks gesehen, Domestos-Jeans und zerfetzte Bondage Hosen, Teenies und Uralt-Rocker. Biker und Leute, die aussahen, als würden sie zu André Rieu gehen. Sogar ganze Familien waren dabei. Nüchterne Mädchen, denen ihre betrunkenen Väter in Rockerklamotten peinlich waren. Einfach geil. Das ist genau das, was mir an Onkelzkonzerten so gefällt. Diese offensichtliche Vielseitigkeit der Fans. Ob die Presse so etwas überhaupt mitkriegt oder ob denen so etwas auffällt weiß ich nicht. In Berlin hält man sich im Moment bedeckt. Warten wir auf die Ausgaben von morgen. Till sprach vorhin über einen recht anständigen Artikel in der Leipziger Volkszeitung, aber den habe ich noch nicht gelesen. Apropos Leipzig. Ein kurzes Wort zu meinem Eintrag von Leipzig. Einige Fans haben sich doch sehr aufgeregt, dass ich die Messehalle so runtergemacht habe und von Filz und Korruption sprach. Man war doch ziemlich brüskiert. Ich kommentiere das mal kurz, ja? Mir lag es fern, einzelne Menschen zu beleidigen, ich wollte auch nicht Leipzig als Stadt oder „den Leipziger“ oder die Menschen aus dem Osten kränken. ABER, erstens sieht die Messehalle tatsächlich scheiße aus und sie sähe auch scheiße aus, wenn sie in Frankfurt stünde und zweitens muss sich jeder sagen, der sich getroffen gefühlt hat: „Der Hartsch meint gar nicht mich, der meint nur die Halle – ich sollte mich nicht mit einer Messehalle identifizieren. Ich bin ein Mensch und keine Halle!!“ Alles klar? Du bist ein Mensch und ein wertvoller dazu. Dich meine ich nicht, sondern nur Deine Halle. Sollte ich weiterhin mit meinem Bericht den ein oder anderen NPD-Wähler beleidigt haben, so kann ich nur sagen, dass es mir nicht sehr leid tut und bei der nächsten Gelegenheit wieder vorkommen könnte. Vor dem Osten an sich habe ich die allergrößte Hochachtung, denn wenn ich „Worte der Freiheit“ von den Onkelz höre, dann denke ich an Euch und daran, dass man Euch „dort drüben“ krass verarscht hat. Das meinte ich mit „Filz und Korruption“, aber dafür kannst Du als Onkelzfan nichts. Demnach meine Freunde, Euren Lokalpatriotismus in Ehren, aber bitte nicht so eine bizarre Identifikation mit der sozialistischen Architektur. Leipzig ist eine alte Traditionsstadt und war schon lange geil, bevor es vom Krieg geschüttelt wurde. Zurück nach Berlin und zurück ins Velodrom, in dieses merkwürdige, total chaotisch verbaute UFO, dass hier scheinbar mitten in einem Wohngebiet abgestürzt ist. Ganz, ganz komische Location. Ich fahre rein und fahre wieder raus und irgendwie dann doch wieder rein und wenn Du Dein Auto unten in den Katakomben falsch parkst, was aber alle Autos tun, weil es nicht anders geht, dann pissen Dir von oben die ganzen Onkelzfans auf die Haube, die 8m höher am Einlass stehen. Manche von den Spackos schmeißen auch Bierflaschen runter – uncool. Also am Ende dann doch wieder rausfahren, da ist mein Audi ja noch auf dem Parkplatz sicherer. Ich schieße zunächst Fotos von den ganzen Fanlappen und Fahnen und Bannern, die in der Halle ausgelegt wurden. (Ein paar Fotos davon werde ich Euch uploaden). Danach habe ich einen Termin mit einem Abgeordneten der Grünen (der in seiner Freizeit eher ein wenig Gladbach-Hooligan-mäßig unterwegs ist und heute sein erstes Onkelzkonzert sieht). Ein sehr nettes Gespräch über die Onkelz, Fußball und die Berliner Presse. Die Wonderfools kommen erneut gut an und kurz nach 21:00 brechen endlich wieder Trockeneisnebelsturm und Onkelz-Orkan los. Die beiden Saitenschwinger sehen heute bei den ersten drei Songs aus, als wäre Wandertag. Unsere Agentur „die Gestalten“, verantwortlich für den Tourfilm, haben Stephan und Gonzo Mini-Kameras auf die Schulter gebastelt und das ganze zusätzliche Kabelgelärsch als Mini-Rucksack auf´s Kreuz geschnallt. Da sind sicherlich ein paar lässige Aufnahmen bei rumgekommen. „Subjektiven“ heissen diese Einstellungen übrigens. Genial heute auch die Mexico Chöre. Stephan ließ sein Publikum am Ende den ganzen Song singen. Ich habe jetzt noch Gänsehaut. Auf alle Fälle habt ihr Euch mal wieder nicht lumpen lassen und dafür gesorgt, dass die DVD dann ohne weiteres als Lehrvideo in der Rock´n´Roll-Schule, „Einführung in die Extase“ verbraten werden könnte. Mit anderen Worten: Wieder mal sehr geil, auch wenn´s gestern noch eine Nuance härter war. Ich vermute mal, dass mehr als die Hälfte gestern schon da war und dadurch die Luft ein bisschen raus war. Ist ja auch verständlich. Nichtsdestotrotz natürlich auch heute volles Brett! Zufriedenheit allenthalben und Montag wird die Konjunktur vermutlich zum erliegen kommen, da halb Berlin im Onkelz-Rausch krank feiert. Zwei Tage hintereinander Berlin in Grund und Boden zu rocken ist ja alles andere als selbstverständlich und auch wenn heute kein „Seht ihr Ärzte, so wird das gemacht“ durch die Halle rauscht, die Buben hätten heute was lernen können. Nämlich dass aus „Punk“ und „Onkelz“ allemal mehr ein Schuh wird, als aus „Ärzte“ und „Punk“. Hier in Berlin gab sich dieses Wochenende das gemischteste Publikum der bisherigen Tour ein Stelldichein. Krasse Punks ohne Ende, Skins, Normalos und Langweiler. Und? Gab´s Ärger? Nada, nix, nothing! Und trotzdem verwette ich meinen Arsch, dass darüber am Montag nirgendwo was hier in diesem verstrahlten lokalen Blätterwald zu finden sein wird. Aber seien wir ehrlich? Legt da noch irgendwer Wert drauf? Ich jedenfalls freue mich darauf, übermorgen beim Frühstück genüsslich die Spott- und Hämegeschichten über unfähige Musiker, obskures Publikum, dumpfe, inhaltsfreie Parolen, finstere Gestalten und blinde Zerstörungswut zu lesen. Okay, das war dann also Berlin. Ich bin gespannt, wie das fertige Produkt aussehen wird. Alle, die an den zwei Tagen hier waren, haben jedenfalls ihren ehrenvollen Beitrag geleistet, dass einem würdigen Onkelz-Output nichts im Wege steht! Gruss Ed II, Velodrom

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