11.09.2004 Stuttgart, Hans-Martin Schleyer Halle Tourtagebuch „Comedy Ausgabe“ Ok, Ihr Tourtagebuchwahnsinnigen, dann sagt mir mal, was Ihr lesen wollt. Schwachsinn! Was wollt Ihr lesen? Schwachsinn! Was wollt Ihr lesen? Schwachsinn? Schwachsinn Pendechoooos.... 11. September? Da war doch was. Als ich gestern nacht im Hotel ankomme, läuft im ersten Programm eine Doku über die beiden französischen Filmemacher-Brüder, die ausgerechnet am Morgen des 11. September 2001 ihrerseits eine Doku über die New Yorker Feuerwehr im Financial District von Süd Manhattan drehen wollen. Sehr gutes Timing. Die beiden schießen Aufnahmen von welthistorischer Bedeutung und gehen fast dabei drauf. Später am gleichen Tag in Deutschland, als wir hören, dass in Amerika zwei einmotorige Ultralights aus Versehen in das Palmenblattdach des World Trade Centers gestürzt sind, sind Stephan Weidner, Matthias Martinsohn und ich gerade beim Fallschirmspringen. Irgendjemand hat irgendjemandem einen Sprung – oder war´s ein ganzer Kurs? – zum Geburtstag geschenkt, ich weiß nicht mehr wer. Auf alle Fälle landen wir drei schließlich in diesem Kurs in der Flugschule in Höxter. Als wir also an jenem Morgen wieder mal im Hangar in den Trainingsschirmen hängen und die „Froschlage stabil“ üben, kommt einer der Lehrer reingestürzt und schaltet das Radio ein. Flugzeug im ersten Turm – ha, ha, ha, guter Witz. Flugzeug im zweiten Turm - alles klar, der Tag ist gelaufen... Gestern Nacht habe ich noch einmal diese Bilder gesehen. Sensationell finde ich an dem Thema nach wie vor, dass gekidnappte Flugzeuge so lange unbehelligt durch den New Yorker Luftraum fliegen dürfen, dass die Abfangjäger mit einer Reaktionszeit von normalerweise 4 Minuten einfach am Boden bleiben, dass dilettantische Fluganfänger so eine Mordsmaschine in einer Schulbuchkurve in ein Hochhaus rammen können, dass die Opfer in den obersten Etagen in den Einschlaglöchern stehen und sich an den Metalverstrebungen festhalten, die doch angeblich so heiß sind, dass sie schmilzen und dann kommt das Allergeilste: Die beiden Türme stürzen in einer atemberaubenden Bilderbuchperformance von oben nach unten gänzlich in sich zusammen – Applaus – Applaus – Applaus. Ganz, ganz großes Actionkino. 9 Monate später stehe ich in New York am Ground Zero auf der Besucherrampe und glotze nachts um 02:00 betrunken mit einer Freundin in das gewaltige Loch. Wir unterhalten uns mit einem Feuerwehrmann, der Kaffee rauchend und Kippe trinkend neben uns steht. Seit über 8 Monaten im Einsatz und wie alle Feuerwehrmänner hier, ist auch er der festen Überzeugung, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Dieser Meinung bin auch ich. Hier mein Plan: Der Krieg läuft ja bekanntlich auf Hochtouren und George Bush verliert an Einfluss und Image. Er muss die Wahl gewinnen. Die GOP und ihre republikanischen Bluthunde werden auf keinen Fall die Finger stillhalten, jetzt wo sie das Öl schon fast riechen können. Also muss Bush kurz vor der Wahl noch ein kleines Husarenstück abliefern, eine Überraschung, einen Geniestreich. Wir erinnern uns an die Wahl in Florida. Das war eine Meisterleistung, die hohe Schule der PR, aber diesmal wird es schwieriger werden. Die Leute in Amerika trauen ihm nicht mehr. Er muss mit etwas Großem kommen. Mein Tip: - mark my words – er wird nächsten Monat oder kurz vor der Wahl Osama bin Laden aus dem Hut zaubern. Ahh, der große nierenkranke Bösewicht, der Grund für das ganze Elend, der Vorzeigeschuft. Achtet drauf: Plötzlich haben sie seine Dialysemaschine in den Bergen von Pakistan geortet, vielleicht mit einer Wärmekamera, und plötzlich, genau passend zur Wahl, stellt sich der Chef von „Taliban Vibration“ seinen Häschern, damit George ihn an der Leine zum Capitol führen und vor die Kameras von Fox News schleifen kann. Aber was George Bush nicht weiß, ist: - und jetzt komme ich endlich zur Sache – dass es nicht der richtige Bin Laden ist. Der läuft nämlich schon lange nicht mehr in der kargen Einöde zwischen Afghanistan und Pakistan herum, sondern hat sich kaum bemerkt kurz nach seiner aufwendigen Gesichtsoperation hier im BOSC Bus auf der Onkelz Tour 2004 eingezeckt. Verdammte Scheiße, wer hätte das gedacht? Falls Ihr mir nicht glaubt, checkt das erste Foto. Hey, ich war selbst erstaunt, aber die Tatsachen sprechen für sich. Wieviel Milliarden Dollar Lösegeld gibt´s nochmal für den? Auf jetzt Leute, wir liefern den einfach aus und mit dem Geld bringen wir die Onkelz dazu, noch zehn Jahre für uns zu rocken. Wir kaufen ein Grundstück mit einer großen Halle, irgendwo zentral in Deutschland und lassen die Onkelz dort jeden zweiten Samstag auftreten. So ganz privat, nur für uns 250.000 Fans. Also ich finde die Idee gut. Die Setlist besteht allerdings nur aus Mexico, und da auch nur aus der „Stelle zum Tanzen“. Ok, Spaß beiseite und zurück zum Ernst des Lebens, zurück zur Tour 2004. „Ihr hättet es wissen müssen“ ist auch hier das backstage und täglich immer häufiger gesungene Leitmotiv innerhalb der Crew. Worbei es sich wohl eher auf die „lustigen“ Schikanen des Tourmanagements und auf die harte Arbeit bezieht, (von der Till und ich ja gottseidank bis jetzt verschont geblieben sind)! Stuttgart also. Hans-Martin Slayer Halle. Ziemlich „seventies“ dieses Gebäude, ein total sinnloses Labyrinth, ein architektonischer Witz, so überholt wie das Olympiastadion in München. Du läufst und steigst Treppen und plötzlich geht es nicht weiter und Du musst den ganzen Weg wieder zurück laufen. Aber groß ist das Teil. 11.000 Leute easy, würde ich schätzen. Während wir ankommen, spielt der VFB direkt nebenan im Gottlieb Daimler Stadion noch gegen den HSV und besiegt ihn später mit 2:0, was Kevin natürlich voll ankotzt. Da fällt mir ein, dass Till in der letzten Nacht schon wieder einen Alptraum hatte. Er hat geträumt, dass seine Mutter ihm seine Mainz 05 Dauerkarte abgenommen und an einen Nichtfan verschenkt hätte. Aua, was für eine Horrorvorstellung, auch und gerade für mich, als Bremer, der sich ja nun wirklich nicht um Mainz schert, es aber ertragen muss, dass sein Assistent – wie heute geschehen – einen Mainzschal auf die Hutablage des gemieteten Audi A6 TDI legt, puh. Ach ja, „Heute zu Hause gegen Leverkusen, da machen wir den Sack zu“ und „zu Hause noch ohne Punktverlust, da wird wohl nichts mehr anbrennen“ solche Sachen muss ich mir anhören. Aber um mich wirklich auf die Palme zu bringen, hat er von zu Hause seine schlimmsten 80er CDs mitgebracht und spielt sie mir nun unbekümmert vor. Ich dürfte ruhig mitsingen, sagt er dann auch noch gelassen, oder, dass falls mir ein Stück gefiele, ich es ruhig sagen könne, dann würde er es noch einmal spielen. „It´s my life“ und „Purple Rain“ und dergleichen. Lachend auf der Landstraße, das kann Spaß machen, ist aber auch nicht ganz ungefährlich, dort in der kurvigen Westpfalz, am Jungfernsprung und jenseits der Pforte von Rohan. Gut, wir haben uns also nicht den militanten, pfälzischen Separatisten angeschlossen und sind auch in keinen Graben gefahren, sondern wohlbehalten gegen 17:00 in der Halle angekommen. Das war´s, was ich eigentlich sagen wollte. Band? Welche Band? Die Onkelz? Keine Ahnung wo die sich rumtreiben, irgendwo unterwegs im Bus. Die machen sich auf dieser Tour extrem rar. Einzig Stephan ruft mich jede Nacht an und fragt wie´s läuft und wie´s geht und bemängelt die dämliche Hotelbelegung, die Schuld daran ist, dass man sich so selten sieht. Gut, wir alle haben uns diese Tour wohl etwas spaßiger vorgestellt. Konnte ja keiner ahnen, dass die Emotionen doch an jedem einzelnen nagen und man eben nicht so viel lacht, wenn es nicht so viel zu lachen gibt. 20:00 Uhr – Wonderfools. Hier mal ein paar Worte zu einem mir absolut unverständlichen und total schwachköpfigen Konzept. Das Becherwerfen. Da kommt eine junge Band, die so anfängt, wie die Onkelz einmal vor 25 Jahren angefangen haben, die keine Kohle hat, die geilen, schnellen Punk spielt und die die Eier hat, vor den Onkelz aufzutreten, obwohl sie noch nie vor mehr als 150 Leuten in Norwegen gespielt hat und es gibt da Leute im Publikum, die sich nicht zu schade sind, ihre Hartplastikbecher gezielt auf die Musiker zu werfen und ihnen die Mittelfinger entgegen zu strecken. Boah, ist das arm. Ich meine, erklär mir das mal, das ist so selten blöde, dass ich überhaupt nicht verstehe, wie man so scheiße im Kopf sein kann. Der Ausdruck eines solchen Mangels an Intelligenz, diese Art von Geringschätzung, noch bevor man auch nur einen Song gehört hat, das ist der Gipfel dümmlicher Arroganz. In Stuttgart war es so schlimm, dass die Security den Leuten in den ersten 10 Reihen die Becher abgenommen hat. Alter, was für ein peinliches Publikum. Aber wie immer, war´s auch hier eine kleine, debile Minderheit, die allen anderen die Stimmung versaute. Ich kann mir denken, dass Stephan das auf alle Fälle später während der Onkelzshow noch zur Sprache bringen wird. 21:00 Uhr. Von dieser geballten Dummheit ist allerdings wenig zu spüren, als die Onkelz die Bühne betreten und Ihr komplett durchdreht. Ich bin jedes mal wie weggeblasen von der Euphorie. Wenn´s nach mir ginge, können die Jungs immer wieder in die Garderobe zurück laufen und immer auf´s neue die Bühne betreten, so geil finde ich diesen Moment. Heute ist es, wie kann es auch anders sein, wieder einmal außerordentlich geil. Ich sag´s ja nicht gerne, weil ich kein Freund des schwäbischen Dialekts bin, aber der Stuttgarter lässt sich wirklich nicht lumpen. Ein großer Teil ist direkt vom Stadion ins Konzert gefallen und hat hier in der Slayer-Halle gleich weiter gefeiert. Kein schlechter Spätsommertag alles in allem. Und klar, zwischen „Nie wieder“ und „Immer auf der Suche“ macht Stephan seinen Standpunkt deutlich und nimmt sich noch mal die Becherwerfer zur Brust. Sogar Kevin, dessen Performance mir von Show zu Show besser gefällt, ringt sich eine Ansage ab. Bin gespannt, ob das ankommt und man die Jungs in Hannover endlich wieder freundlich empfängt oder wenigstens in Ruhe lässt. Ansonsten haben wir es hier wieder mit einer sehr spielfreudigen Band zu tun. Gonzo rockt sein Insturment, bis es lacht, Pe quält sein neues Schlagzeug bis auf´s Blut und Kevin lässt sich jeden Abend neue Mexico Choreographien einfallen. Ich liebe es, wie er die erste Strophe bildhaft umsetzt. Vom Durchfall geplagt und von Fliegen gejagt – das ist groß und macht Spaß. Apropos Mexico. Stephan lässt schließlich das Publikum eine Mexico-Strophe komplett alleine singen und das ist dann wirklich ein feister Chor. Das hätte ich gerne mal komplett und live auf CD, das ganze Stück, ohne Onkelz und ohne Instrumente. Guter Partyknaller, könnte ich mir vorstellen. Wie ich von Till höre, ist gerade an den Ausgängen der Slayer-Halle das Stuttgarter Riot Squad aufmaschiert. 50 Bullen in voller Demo-Montur, weiß behelmt mit Stock und Schild. Aber hey, das ringt uns hier doch nur noch ein müdes Gähnen ab. Seit dem historischen 1300 Bullen Einsatz der Ninja Turtles in Dortmund, als die Hells Angels festgenommen wurden und die Scharfschützen auf dem Dach der Westfalenhalle postiert waren, weiß man eines ganz sicher. Der Pott regiert. Dortmund hält, was Stuttgart verspricht! Gut, ich bin raus. Die Leitung steht... nicht, (natürlich nicht). Hier in der Halle gibt es nur ISDN Anschlüsse und meine Karte zickt. Wartet, vielleicht klappt´s nachher im Hotel. Wenn nicht, nehmt es wie Männer. Tschau, bin raus... bis Hannover, da gibt´s Gold und Platin und den ganzen Kram, von Till hoffe ich doch. Till? Bist Du da? Gruss Ed

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