03.10.2004 Dortmund II17.32 Uhr, Dortmund Westfalenhallen. Die Schleusen öffnen sich zur letzten großen Ruhrpott-Prozession und die Biomasse Onkelzfan, zusammen gesetzt aus vielen tausend einzelnen autarken Zellen, ergießt sich ins Westfalen-Mekka Onkelz-Halle. Oder andersrum? Egal, man kann es drehen und wenden wie man will, so oder so kann und muss es richtig sein. Wie Eddy ja gestern schon so treffend beschrieben hat: Wie soll man einem Blinden eine Farbe erklären? Dortmund halt! Ohne den anderen geilen Spielorten mit ihren ebenso geilen Leuten bö(h)ses zu wollen – im Gegenteil – aber wer die Onkelz nicht in Dortmund gesehen hat, an dem sind sie quasi komplett vorbei gelaufen. Dortmund halt! In Dortmund gelang ´96 mit dem Konzert und der zugehörigen Live-CD der Quantensprung in eine neue Dimension. Ich habe mich ja gestern Nacht ein wenig darüber gewundert, dass der Hallenparkplatz nicht übersät ist mit Auto-Campern, die in freudiger Erwartung bis in die frühen Morgenstunden mit Bier und Mexico durchmachen, um dann direkt danach mit Mexico und Bier bis zum Einlass anzuschliessen. Aber wegen dem Borussen-Kick waren wohl die meisten gezwungen, auswärts zu parken, oder? Oder war am End´ die Fluktuation im Publikum so groß, dass RockHard-Thomas mit seiner Einschätzung „Gestern Old-School-Publikum, heute der ´Nachwuchs´“ richtig lag? Gestern tausende eh schon euphorisierte Fußball-Sympathisanten, die die Westfalenhalle in einen Schmelztiegel verwandelt haben, heute der hungrige Rudel-Nachwuchs, der den etablierten Alpha-Tieren den Rang ablaufen will. Ich weiss es wirklich nicht. Wenn es so war, dann ist dieses Dortmund-Wochenende so oder so ein Ritterschlag für die Onkelz-Gemeinde, denn das, was hier dieses Wochenende passiert ist, ist im Grunde genommen unbeschreiblich. Der Haufen Onkelzfans war hier eine so homogene Geschichte, da ist es schlicht und einfach unmöglich, das in irgendeiner Weise zu kategorisieren. Gestern war die Halle voll mit Onkelzfans feinster Prägung und heute war sie es wieder. Punkt. Aus. Fertig! Hier ist einfach alles noch ein bisschen geiler – und davon auch noch mehr. Heute ist hier noch nicht das letzte Kapitel in der Onkelzhisto-rie geschrieben worden. Das Buch ist zwar beinahe zugeklappt, aber der letzte Abschnitt beinhaltet nicht weniger als die Höhepunkte unter vielen emotionalen Ausnahmesituationen. Überall spielt ihr mit der Band in einem bipolaren Spannungsfeld aus Schweiss, Tränen und Glück Gefühls-Ping Pong, die Onkelz spielen ihre energetischen Weisen, schmutzig und reudig dargeboten, ihr nehmt sie in euch auf explodiert wie tausende Mikrogalaxien in einem Taumel aus Emotionen mit den Vieren als unendliche Supernova am Ende des Universums. Ich habe heute Szenen gesehen, die mir ein kleines Tränchen in den Augenwinkel getrieben haben. Gestandene Familienväter mit einem improvisierten Trauerflor am Arm, zig verschiedene individuelle Abschiedsshirts, jedes versehen mit einer ganz persönlichen Botschaft von Fan zu Band und so weiter. Und wisst ihr, was ich noch gesehen habe? Ich habe heute das gesehen, was mir die Hoffnung gibt, dass das Dienstag in Hamburg ein Höhepunkt und keine Talsohle in unser aller Gefühlsleben wird. „Erinnerungen“ läuft an und ich sehe neben mir einen etwa 35 Jahre alten Mann stehen. Sein Äusseres war alles andere als gepflegt und der Gute sah auch wirklich verdammt ungesund aus. Ich möchte nicht mutmaßen, was ihm gefehlt haben könnte, aber gut drauf ist was anderes. Jedenfalls erklingen die ersten Gesangstakte – und er spricht die ersten Strophen vor sich hin mit. Wenige Sekunden später fangen die ersten Tränen an, über seine Wangen zu rollen. Zuerst über die rechte, dann über die linke und dann ununterbrochen in einem endlosen Schwall über beide. Mit einem Wort: Der Kerl hat geflennt wie ein kleines Kind. Aber wisst ihr, was das aussergewöhnlich Ermutigende an ihm war? Er hat dabei gelächelt! Er hat gelächelt und je stärker er anfing zu weinen, desto strahlender wurde sein Gesichtsausdruck. Er fing an zu strahlen und er fing an lauter und lauter zu singen. Der Kerl hat heute definitiv seinen Frieden gemacht. Er weinte, dass es für ihn wohl vorbei ist und er lachte, weil er sich freute, dabei gewesen zu sein. Ich denke nicht, dass ich mit ihm viel gemein habe, aber die Liebe zu dieser Band wirft uns in einen gemeinsamen Topf und er hat mir heute vorgemacht, wie wir das alle so geregelt bekommen könnten. Also, wenn du das hier liest und dich angesprochen fühlst, dann bedanke ich mich bei dir dafür und hoffe, dass du dein inneres Gleichgewicht damit gefunden hast. Als die Tour am 28. August losging, hätte ich wirklich nicht gedacht, dass es so weit kommen könnte. Nicht, dass ich mich für so kühl und distanziert halte, dass mir das nicht passieren könnte, aber ich war mir eigentlich sicher, ´ich heule nicht!´. Von wegen... Das war mein persönlicher Kulminationspunkt, an dem ich mir gesagt hab „Alles wird gut!“, aber mit „Ihr hättet es wissen müssen“ habt ihr euch, die Band, die Crew und uns in einen Zustand totaler... Ach, mir fehlen die Worte. Wie erklärt man einem Blinden eine Farbe? Da sind wir wieder... Wie ihr auf dem letzten der Photos sehen könnt, hat sich in der Mitte des Liedes beinahe der komplette Innenraum auf ein geheimes Zeichen hin für einige wenige Augenblicke hingekniet, als wollte man sich mit dieser stillen Geste verneigen. Sowas hab ich noch nie, nie, nie erlebt! Und allen ist die Spucke weg geblieben und auch mit mittlerweile einigen Stunden Abstand geht den meisten noch ganz gehörig die Pumpe, bei dem Gedanken daran. Leute, was habt ihr denn da mit uns allen gemacht? Das war die intensivste denkbare Eskalation dieser ganzen Kiste, die hier seit nunmehr 5 1/2 Wochen abläuft und ihrem Schlussakt entgegen strebt. Keine impulsiven Ausbrüche, nein, ihr habt in einem großen Moment der inneren Einkehr bewiesen, was euch diese Band bedeutet. Ihr habt die Waffen gestreckt und gleichzeitig das Gefühls-Ruder mit so viel Nachdruck an euch gerissen, dass die 4 nicht mehr Herr der Dramaturgie gewesen sein können. Wenn ihr das in Hamburg nochmal so hinbekommt, seid ihr unsterblich. Dortmund hat uns verzaubert und ihr könnt uns und euch erlösen. Wenn alle alle mitmachen, bringen wir die Schose gemeinsam zu einem Ende, das seines gleichen suchen wird, das schwöre ich euch. Und am Ende, ja am Ende da wird alles gut werden. Ich bin mir ganz ganz sicher! Denkt an meinen lächelnden, heulenden Freund... Bitte habt Verständnis, dass ich heute nicht auf die ganzen Begleitumstände eingehen will. Das mache ich morgen in einem kleinen Nachtrag, okay? Hey, heute war das letzte Mal Dortmund und so viel Gänsehaut wie heute, hatte ich mein ganzes Leben noch nicht. Ich entlasse euch mit diesem Text und den Photos, heute gabs Emotionen, morgen die Fakten dazu. Till , Westfalenhalle

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