02.10.2004 Dortmund I, Westfalenhalle Es gibt Situationen, in denen schäme ich mich Onkelzfan zu sein. Habe ich darüber schon einmal geschrieben? Habe ich dazu schon mal etwas gesagt? Nein? Dann wird´s höchste Zeit. Ich war während der letzten drei Tage ein wenig angeschlagen, bin aber wieder halbwegs fit, so dass ich gleich mal aus dem Nähkästchen plaudern will und noch einen Frankfurt-Nachtrag liefere. Da stehe ich nach der Show oben in der „Rotunde“, das ist die VIP Lounge in der Festhalle in Frankfurt, wo die Onkelz traditionsgemäß ihre Freunde Familien und Platinum-Fans einladen. Man kann dort oben an einer Bar umsonst trinken oder auf die Gästetribüne gehen und in aller Ruhe das Konzert anschauen. Wenn man will. „Umsonst“ heißt nicht, dass die Drinks nicht von irgendjemandem bezahlt werden müssen, sondern das heißt nur, dass die Gäste diese Drinks auf keinen Fall zahlen. Das wiederum führt zu wirklich bizarrem und manchmal echt beschissenem Verhalten. Nicht nur, klingelt das Handy bis kurz vor Showbeginn und ich habe Leute am Rohr, denen noch kurz vor Toreschluß einfällt, dass sie doch noch unbedingt das Konzert sehen müssen (nebst Freundin und Freund und auch dessen Putzfrau, so wie deren Schäferhündin „Fotzi“, die gerade geworfen hat und man daher nun die Welpen ebenfalls mit in den VIP-Bereich nehmen müsse), nein, es führt zu so schrägem Verhalten, dass auch hektoliterweise Bier verschüttet oder rausgetragen wird - zehn Becher auf einmal - auf die Tribünen, zu all den armen Bedürftigen, die ja keinen Zutritt mehr zum VIP Bereich erhielten, da irgendwann bei ca. 250 Leuten die obere Grenze der Kapazität erreicht ist. Kostet ja nix, oder besser gesagt, die Onkelz haben´s ja. Da wird das Freibier der Onkelz gesoffen und gleichzeitig über ihre zunehmende Kommerzialität abgedröhnt, da wird über die asozialen Fans hergezogen und gleichzeitig das VIP-Klo vollgekotzt. Ich habe Dinge gesehen und gehört, die mich erschaudern lassen. Bei der Royal Party nach dem Gig haben Onkelzfans anderen Onkelzfans die Rucksäcke geklaut, wieder andere haben die Gänge und Polstersessel vollgekotzt und einer war so besoffen, dass er in einen Aschenbecher geschissen hat und dann ohne Hose umfiel. Hallo? Soll ich´s nochmal wiederholen? In einen Aschenbecher geschissen! Ich persönlich kenne einen ganzen Haufen saucooler Onkelzfans, aber ich erlebe auch immer wieder Momente, in denen schäme ich mich stellvertretend für das ganze Pack. Scheiße, man kann es drehen und wenden wie man will, aber lassen wir mal die Kirche im Dorf, es gibt schon auch einen ganzen Haufen von echt dummen Wichsern unter den Fans, oder? Leute, versteht mich nicht falsch. Ich liebe die Onkelz und deren Musik, aber ich muss nicht alles gut finden. Hammerhart genial und sehr bewegend dagegen fand ich das Fanverhalten am Ende des zweiten Onkelzgigs in Frankfurt. Stephan hatte schwer zu knabbern an der Ansage zu „Ihr hättet es wissen müssen“ und wenn sogar schon dem Chef die Tränen in den Augen stehen, dann wird´s eng. In der Halle war es so still, man hätte jemanden furzen hören können und ganz plötzlich bricht in diese Stille hinein der total synchrone Onkelz-Onkelz Chor, die absolute Rückendeckung in diesem schweren Moment. Ich glaube das war einer der emotionalsten Momente, die ich bis jetzt erlebt habe, aber die Tour ist ja noch nicht zu Ende und ich sagte es bereits eingangs des Tourtagebuchs – „die große dunkle Wolke...“ Gestern auf der Fahrt von Erfurt nach Dortmund wären Till und ich fast noch nach Essen abgebogen, um mit Stephan, Axel Glittenberg (Bandbetreuung) und Brian (Surffreund aus Peru) zum Spiel der Eintracht Frankfurt gegen Rot-Weiß Essen zu gehen. Man hatte VIP Karten besorgt, aber am Ende waren es nur drei und Till und ich hatten noch zu tun. Schade, denn wie mir berichtet wurde, war es nicht nur ein spannendes Spiel, das 4:4 ausging, sondern es gab auch noch amtliche Ausschreitungen nach dem Spiel. Kassenhäusschen wurden zerlegt, Scheiben eingeschmissen, Tränengas gesprüht und Stephan fühlte sich nicht nur in alte Zeiten versetzt, sondern war sogar kurz davor, reinzuhüpfen ins Gewusel. Unseren peruanischen Austauschhooligan hat das ganze wahnsinnig entzückt und so sehr begeistert, dass er heute gleich noch mal mit mir, Till und Thomas Kupfer vom Rock Hard zu Borussia gegen Nürnberg gedackelt ist. Ein glückliches 2:2 für die Borussen, 12 gesehene Tore für Brian in zwei Tagen und dann nur noch rüberfallen in die VIP-Lounge der Westfalenhalle zu einer der geilsten Rockshows, die dieses Land zu bieten hat. Da soll mal einer sagen, wir würden unsere Gäste nicht gut behandeln. Jetzt aber mal zu den wirklich wichtigen Dingen. Onkelz in Dortmund. Wir erinnern uns kurz an 1996 zurück, als sie zum ersten mal die Westfalenhalle ausverkauft hatten, als zum erstenmal deutlich wurde, was möglich war mit den Onkelz. Oder an die 2000er Tour, das Ding mit den Angels. Wer da war, wird diese Szenen nicht vergessen. 1300 Polizisten nehmen 120 Hells Angel fest, Manschaftswagen, Bullen in Riot-Gear, Scharfschützen auf dem Dach, Wahnsinn im Visier. Die Onkelz in Dortmund, immer ein Garant für einen Abend voller Action und Romantik. Los geht´s also: Heute endlich wieder mit den Locals von Sub 7even als Support-Support. Daniel schwer geplagt durch eine Angina, hatte sich gestern abend nochmal aus dem Bett gequält und mich auf ein Röllchen Sushi eingeladen. Schnell gegessen, schnell getrunken und ab in´s Bett. Heute jedoch, nach der Borussia Sause macht er in der Westfalenhalle schon wieder einen recht fitten Eindruck. Neue Songs, neuer Bassist. Apropos Bassist... was für eine coole Sau ist das denn? Kai Lemke heißt der und zupft wie kein zweiter. Ich meine, habt Ihr Euch den mal angeschaut? Der hat ja mit nix was zu tun, der rockt dort oben seinen ganz eigenen lässigen Film, (wahrscheinlich ein Roadmovie mit Shaun Penn) Passt jedenfalls zu Sub 7even wie die Zitrone in den Cuba Libre und komplettiert den ohnehin schon coolen Line-up mit Christos und Spiros allerbestens. So gefallen mir die Dortmunder richtig gut. Hübsch auch der Versuch von Daniel das Publikum erst in der Mitte mosesmäßig zu teilen wie das rote Meer, nur um die Halle dann zu einem Massenmoshpit anzustiften. „Auf mein Kommando tauscht Ihr die Seiten, so schnell Ihr könnt.“ „Ja, nee is klar...!“ sagt der Dortmunder glaube ich dazu. Die Onkelz in Bestlaune, logo. Gäste aus aller Welt und aus ganz Deutschland sind da. Gäste, die jetzt nach und nach zum Ende der Tour eintrudeln, weil sie es sich später niemals verzeihen könnten, die letzten Shows nicht gesehen zu haben und jetzt, wo es dem Ende zu geht, tauchen sogar Leute auf, die sich noch vor drei Jahren nicht mal in die Nähe eines Onkelzkonzertes getraut hätten. (Nein, ich werde keine Namen nennen). Ahja, von mir aus, kommt ruhig und schaut Euch an, was Ihr all die Jahre verpasst habt. Schade drum, tut mir leid für Euch, aber aus Euch machen wir keine Fans mehr, nur noch Zuspätgekommene, Nichtinschwunggebrachte, Unerleuchtete. Scheiße, was soll ich sagen, die Tour neigt sich dem Ende zu und auch mich infiziert langsam der schleichende Virus der Melancholie. Deutschland ohne die Onkelz, das ist wie stricken ohne Wolle oder braten ohne Fett, surfen ohne Welle oder alkoholfreies Bier. DAS GEHT NICHT!!! Was dagegen sehr gut geht ist die Westfalenhalle voll mit Ruhrpott. Da kommen sie alle zusammen, aus Dortmund, Bochum, Essen, Bottrop, Castrop, Herne, Hagen und feiern eine der fettesten Rock´n Roll Parties, die dieses Land je gesehen hat. Leider zum vorletzten Mal. Wie die Halle geschwappt, gewogt, getobt und gepogt hat, brauche ich Euch nicht zu erklären, oder? Kann ich auch gar nicht. Mein Wortschatz reicht nicht aus und schon der Gedanke an diese Massen von Vollwahnsinnigen treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn. Wie beschreibt man so etwas? Wie erklärt man einem Blinden eine Farbe? Gar nicht, man muss es fühlen. Gruss Ed
Böhse Onkelz - Interview VHS live in Dortmund Tei... - MyVideo

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