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01.09.2004 MünchenDie Musikauswahl in unserem Auto ist begrenzt. Die neue Wonderfools haben wir jetzt ungefähr 30 x gehört, die neue Scheibe von Moses Pelham, die uns kurz vor Tourstart noch vom Hause 3P zugesandt wurde, haben wir auch rauf und runter gehört, Archive, die Stephan mir zugesteckt hat und deren 16 minütiges Epos „Again“ können wir inzwischen rückwärts singen, mit verbundenen Augen, unterwasser und die CDs, die Till dabei hat, springen. Bis auf die von Bombshell Rocks, aber damit sind wir jetzt auch durch. Da blieb uns also nichts anderes übrig, als auf der Rückfahrt aus Wiener Neustadt nach Wien, Radio zu hören. Die Musik war so kacke, dass ich gleich die Ausfahrt verpasst habe und wir tief in der Nacht einmal um die ganze Stadt gegondelt sind. Unser Navi-system funktioniert nur in Deutschland und wer schon mal in Wien war, weiß, dass die Stadt verdammt groß ist. Das alles war aber gar nicht so schlimm oder langweilig, weil Till ein für mich übrigens recht erstaunlich und überraschend großes Interesse an Popmusik hat. Aus diesem schier unendlichen Fundus an schlechter Radiomusik zaubert er also scheinbar mühelos einen Hit nach dem anderen hervor und kann diesen meistens auch noch mitsingen. Fehlerfrei. Das mag auf den ersten Eindruck abschreckend klingen, ist es aber nicht, wenn man sich öffnet und so kam es, dass wir morgens um halb drei Gloria Gaynors „I will survive“ kreischend in diese Stadt hineinfuhren und uns hoffnungslos verfuhren. Tränen gelacht.
Im österreichischen Radio wird inzwischen die geilste Alte gesucht, die David Beckham in eine Sexfalle locken könnte, damit er am Samstag für das WM-Quali-Spiel gegen Österreich möglichst unfit ist. Überhaupt fällt uns auf, dass die Österreicher ein recht frivoles Völckchen sind. An jeder zweiten Straßenecke gibt es hier Sexshops und Peepshows. Till wird nicht müde, auf diesen Umstand hinzuweisen und ihn entsprechend geistreich zu kommentieren. Noch mehr Tränen. Ein wenig unharmonischer war es dann gestern Vormittag, als wir bei strahlendem Sonnenschein Wien verließen und in Richtung München aufbrachen. Die CDs langweilten uns immer noch und so mussten wir uns gute 5 Stunden Autofahrt lang über Radiosender streiten. Darüber, ob Dido oder Shania Twain nun kacke sind oder nicht und wenn ja, wie kacke. Till bemängelt meine Toleranz und meinen unflexiblen Musikgeschmack und ich mag nicht in seine Popabgründe schauen. Wir lachen viel und können uns aber wenigstens bei weiblichen Hollywoodstars auf den (Achtung O-Ton Till:) „morbiden Charme“ einer Julia Roberts einigen. Als mein Beifahrer dann auch noch „Words ... don´t come easy“ mitsingt, wie gesagt fehlerfrei, und anschließend den Song mit einem staubig trockenen „weniger saufen und mal zum Logopäden gehen“ kommentiert, bin ich fast reif für einen Auffahrunfall vor Lachen. Sehr schön Till, Kompliment!
So, nach diesem kleinen Exkurs in unseren täglichen Tourablauf, sollten wir nun endlich zum Wesentlichen kommen. München – Olympiahalle – Onkelz – ausverkauft. Natürlich ausverkauft. Was denn sonst? Die Produktion ist spät dran. Der Abbau dauert seine Zeit und bis die Bühne von Wien nach München transportiert und aufgebaut ist, kann es schon mal eng werden. Das merkt auch das Produktionsbüro und ist entsprechend ungehalten, als wir ihnen vor den Wonderfools noch einen kleinen Überraschungsgast präsentieren wollen. Pro Pain gastieren am gleichen Abend in der Stadt und seit drei Wochen herrscht e-mail Verkehr, ob man nicht mal schnell auf die Bühne hüpfen sollte, um vier/fünf Songs runter zu ballern. Als kleines Geschenk an den Münchener Onkelzfan sozusagen. Pro Pain haben natürlich Bock drauf, sie müssten nur ihre Gitarren mitbringen und in die Anlage der Wonderfools stöpseln. Aber die Zeit ist wirklich knapp und auf eine zusätzliche Band hat man hier gerade noch gewartet. Das Pro Pain Projekt wird abgeblasen, die Jungs werden wieder ausgeladen und die Produktion kann knapp, aber pünktlich loslegen. Türen auf und rein das Volk. Immer wieder erstaunlich, wie schnell sich eine so gewaltige Halle, wie die Olympiahalle füllt und später wieder leert. Gäste sind heute da. Der Metal Hammer, der seine Redaktion in München hat, kommt mit vier Leuten und Stephan und Gonzo quatschen ein wenig mit Chefredakteur Thorsten Zahn. Marc Spoon ist mit ein paar Münchenern zu Besuch und die Stimmung hinter der Bühne ist enstpannt und locker. Presse gibt es keine. Überhaupt haben wir, wo es möglich war, schon im Vorfeld die Akkreditierungen abgeblockt und die Leute ausgeladen. Gerade wenn ich an München denke, fällt mir die Abendzeitung ein, die noch im Juni diesen Jahres behauptete, die Onkelz hätten einen Song im Repertoire, der „Gaskammer Gutschein“ hieße. Solche Sachen zeigen, dass sich zwischen den Onkelz und der Presse überhaupt nichts beruhigt hat und es noch immer diese Totalausfälle gibt. Wen wundert es da, dass man hier bei den Onkelz einfach niemanden mehr reinlässt?
Die Wunderdeppen hatten es heute schwer. Der Münchener wollte zunächst nichts von ihnen wissen und kürte die Jungs sehr schnell mit fliegenden Bechern zu den Leergutkönigen des Abends. Das ist und bleibt uncool. Auch weil die Norweger, wenn man ihnen einmal zuhört, eine ziemlich geile Band sind. Aber so ist das Rock´n Roll Geschäft. Erst bewerfen sie Dich mit Bechern, später fallen sie vor Dir auf die Knie. Der Pöbel ist wankelmütig.
Gewohntes Bild bei den Onkelz. Euphorie bis zum Anschlag. Wenn die Trockeneis-Finger abgehen und somit das Intro einläuten, bekomme ich jedes mal eine Gänsehaut. Ab diesem Moment gibt es kein Halten mehr. Was für eine Welle von Emotionen dann los rollt und die Halle mit sich reißt ist kaum in Worten zu beschreiben. Mächtig, verdammt mächtig. Die Security ist auf ihrem Posten und muss vom ersten Moment an Schwerstarbeit leisten. Ein großer Dank an dieser Stelle an die Jungs im Graben und am Einlass. Ohne die, wären solche Konzerte nicht so sicher, wie sie es sind.
Die Onkelz halten sich natürlich vor einer solchen Kulisse nicht zurück und gerade Kevin macht einen sehr motivierten Eindruck. Erstaunlich, was der Mann immer wieder aus sich rausholt. Stephan und Gonzo sind routiniert, wie eh und je und selbst, wenn die sich einmal verspielen sollten, merkt es sowieso niemand. Leider verpasse ich es, als Stephan (mal wieder!) seinen Bass abschnallt und in den Graben hüpft. Ich bin gerade im Büro und schiebe meine Fotos von der Kamera auf´s Laptop, als der W. scheinbar mit einem Fan ein paar persönliche Worte wechseln möchte. Während des Songs natürlich. Ein kurzer Tumult und das war´s. Weiter geht´s. Die Setlist ist mittlerweile bekannt. „Für immer“ ist rausgeflogen und „Wieder mal ´nen Tag verschenkt“ wird nun doch in der akustik original Version gespielt. Es gibt seit Wien ein paar Probleme mit der Pyro. Der Flammenwerfer unter einem der Türme macht Zicken und sorgt für Spannung. Allerdings nichts, was nicht behoben werden könnte. Die Produktion läuft, der Onkelztross rollt und ist nicht mehr aufzuhalten, das Team ist eingespielt und wenn ich es jetzt noch schaffen würde, pünktlich und ohne Probleme ins Netz zu kommen, wäre auch ich zufrieden. Da das aber gestern in der Olympiahalle aufgrund falscher Zugangsdaten wieder einmal nicht möglich war, bekommt Ihr diesen Bericht erst heute. Tut mir zwar leid, ist aber manchmal nicht zu ändern. Also Leute, ich will kein Gejammere hören. Macht´s gut und bis morgen. Ulm – Donauhalle – Onkelz – ausverkauft. Was denn sonst? Till, auf jetzt, Du bist dran...
Gruss
Ed
PS: Spruch des Tages „nüchtern bin ich schüchtern, nur voll find´ ich mich toll
, Olympiahalle
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